Was ist Gewalt in Paarbeziehungen?

Der Begriff «häusliche Gewalt» bezeichnet gemäss Istanbul-Konvention alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren und derzeitigen Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter respektive die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte.

Die Hauptmerkmale der Gewalt in Paarbeziehungen

Häusliche Gewalt betrifft alle Bevölkerungsschichten – das Alter, die Herkunft oder der soziale Hintergrund spielen dabei keine Rolle.

Die Folgen dieser Gewalt sind für die direkt Betroffenen verheerend. Häusliche Gewalt kann tödlich sein, prägt Menschen ein Leben lang und verursacht jedes Jahr hohe Kosten für die Gesellschaft.

Wissenschaftliche Studien weisen auf den Aspekt der sozialen Vererbung dieser Art von Gewalt hin. So wird sie oft bereits in der Kindheit als mögliche Verhaltensweise im Konfliktfall erlernt. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, muss der Präventionsarbeit bei Jugendlichen hohe Priorität eingeräumt werden.

Häusliche Gewalt ist kein Schicksal!

Gewaltformen

Es wird zwischen verschiedenen Gewaltformen unterschieden: physische Gewalt, sexuelle Gewalt, psychische Gewalt, soziale Gewalt, ökonomische Gewalt.

Physische Gewalt

umfasst Schlagen mit und ohne Gegenstände, Stossen, Schütteln, Beissen, Würgen, Fesseln, Gegenstände nachwerfen, tätliche Angriffe bis hin zu Tötungsdelikten.

Physische Gewalt ist die offensichtlichste und in der Regel am einfachsten nachweisbare Gewaltform.

Sie tritt meistens in Kombination mit anderen Gewaltformen auf.

 

Sexuelle Gewalt

umfasst jede nicht gebilligte, nicht gewünschte oder geduldete Sexualpraktik. Sie reicht vom unerwünschten Herstellen einer sexualisierten Atmosphäre über sexistisches Blossstellen bis hin zum Zwang zu sexuellen Handlungen oder Vergewaltigungen.

Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen meint alle Formen von sexuellen Handlungen an diesen, unabhängig davon, ob sie von Erwachsenen oder Minderjährigen ausgeübt werden

Soziale Gewalt

umfasst Einschränkungen im sozialen Leben einer Person wie Bevormundung, Verbot oder strenge Kontrolle von Familien- und  Aussenkontakten, Einsperren aber auch das Verbot des Erlernens der Landessprache.

Psychische Gewalt

umfasst sowohl schwere Drohung, Nötigung, Freiheitsberaubung, Stalking wie auch Cyberstalking und -bullying (Stalking und Mobbing im Internet). Ausserdem werden darunter auch Formen verstanden, die für sich allein keine unmittelbare Bedrohung darstellen, die aber in ihrer Summe als Gewaltausübung bezeichnet werden müssen. Dazu gehören diskriminierende Gewalt wie Missachtung, Beleidigung, Demütigung, Blossstellen, als dumm oder verrückt erklären, das Benutzen der Kinder als Druckmittel, Erzeugen von Schuldgefühlen, Einschüchterung oder Beschimpfung.

Die fortgesetzte Ausübung dieser Gewalthandlungen hat – zum Teil schwere – Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl und die Gesundheit der Betroffenen.

Stalking

Der Begriff „Stalking“ basiert auf dem englischen Verb «to stalk». Er leitet sich aus der Jägersprache ab und bedeutet pirschen, sich anschleichen oder einkreisen der Beute. Als typische Merkmale des Stalking gelten laut Bundesgericht das Ausspionieren einer Person, die fortwährende Suche physischer Nähe (Verfolgung), oder das Belästigen und Bedrohen eines anderen Menschen.

Ökonomische Gewalt

umfasst Arbeitsverbote oder Zwang zur Arbeit, Beschlagnahmung des Lohnes, wie auch die alleinige Verfügungsmacht über finanzielle Ressourcen durch einen der Partner/-innen oder Zwang zur Mitunterzeichnung von Kreditverträgen.

Ökonomische Gewalt ist eine Ausformung psychischer Gewalt und stellt Verhaltensweisen dar, die in ihrer Gesamtheit darauf abzielen, das Opfer zu kontrollieren und seinen freien Willen zu unterdrücken.

Ausmass

In der Schweiz erleidet eine von fünf Frauen körperliche oder sexuelle Gewalt in einer Paarbeziehung, zwei von fünf Frauen sind psychischer Gewalt ausgesetzt.

Trotz grossen Bemühungen im Kampf gegen Gewalt im häuslichen Bereich sind die diesbezüglichen Zahlen damit nach wie vor hoch. Es handelt sich um ein Problem der öffentlichen Gesundheit, das jedes Jahr zahlreiche Opfer fordert und für die Gesellschaft jährliche Kosten zwischen 164 und 287 Millionen Franken verursacht.

Ausgehend von dieser Feststellung hat die Schweiz im Dezember 2017 die Istanbul-Konvention ratifiziert (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Häuslicher Gewalt). Damit schliesst sie sich dem internationalen Bestreben an, ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, systematisch und strukturell gegen diese Art von Gewalt vorzugehen, zu entwickeln.

Kontakt

Für Kantone aus der Westschweiz: Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann und für Familienfragen (GFB), Rue de la Poste 1, 1700 Freiburg, Tél. +41 26 305 23 86  bef@fr.ch 

Für Kantone aus der Deutschschweiz: Berner Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt, Sicherheitsdirektion (SID), Kramgasse 20, 3011 Bern, Tel. +41 31 633 50 33  info.big.sid@be.ch 

Impressum

Das Projekt einer zweisprachigen Wanderausstellung zum Thema Häusliche Gewalt wurde initiiert und umgesetzt durch die Berner Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt, die Kantonspolizei Bern sowie das Büro für Gleichstellung von Frau und Mann und für Familienfragen (GFB) Freiburg.

Conception et réalisation du projet: wapico, Michael Egger, a n y m a

Photographie: wapico, Shutterstock, Etablissement de Witzwil, Reto Waser